Kai Heddergott – KI ist ein soziotechnisches Anwendungsfeld

Mein Name ist Kai Heddergott. Als Berater und Dozent beschäftige ich mich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Gesellschaft und Wirtschaft – seit über 30 Jahren in verschiedenen beruflichen Stationen, seit 15 Jahren als Selbstständiger.

Was machst Du beruflich, wo liegt dabei der Fokus?

Ich bin als Berater, Dozent und gelegentlich als Autor tätig, mit einem besonderen Fokus auf digitale Transformation und in den letzten Jahren mit dem dazu passenden ergänzenden Schwerpunkt Künstliche Intelligenz. Mein Ziel ist es, Unternehmen und Institutionen dabei zu unterstützen, die Chancen und Herausforderungen der digitalen Welt zu erkennen und effektiv zu nutzen. Daher begleite ich meine Kunden, wenn es darum geht, die Kommunikation zeitgemäß auszurichten.

In welchem Bereich fühlst du Dich am wohlsten und warum?

Ich fühle mich dort zuhause, wo ich Wissen vermitteln und Orientierung geben kann: Durch Weiterbildung und Beratung zu Themen der digitalen Kommunikation, weil auf diese Weise helfen kann, die notwendigen Kompetenzen zu erwerben, um in einer durchdigitalisierten Gesellschaft die richtigen strategischen Leitlinien zu entwickeln. Der seit nunmehr 30 Jahren digital getriebene kommunikative Wandel und die damit verbundenen permanenten Anpassungs-Herausforderungen sind für mich Anlass, mich auch selbst laufend à jour zu halten und für andere zeitgemäße Lösungen zu entwickeln. Das hält jung.

Ein Vorbild in Sachen fortwährender Neugier ist dabei meine Mutter: Sie ist heute 87 Jahre alt und hat vor zehn Jahren damit begonnen, auf Facebook unter anderem die Posts meiner Schulfreunde, die sie noch von früher kennt, zu kommentieren. Digitale Teilhabe auch im Alter, aus eigener Motivation – das ist für mich ein nachhaltiger Ansatz, der auch eine gewisse Selbstwirksamkeit zum Ergebnis hat, nicht nur im Berufsleben.

Kai Heddergott

Viele Menschen spüren, dass sich die Welt um sie rasant schnell verändert. Wir nimmst Du dies wahr, was sind Deine Konsequenzen?

Die schnelle Veränderung der Welt spüre ich in vielen Bereichen, vor allem durch die Digitalisierung und damit einhergehende neue Technologien – und das immer wieder in Wellen schon seit 45 Jahren: In den 1980ern war das die Verbreitung des PC, Mitte/Ende der 1990er-Jahre der Zugang zum Internet „for the rest of us“, vor 15 Jahren die Bedeutungszunahme von Social Media und jetzt die sich entfaltende Wirkmacht generativer KI.

In allen diesen Phasen interessierte mich und beschäftigt noch immer die Frage der Technikfolgenabschätzung: Wozu führt das alles, vor allem im digital getriebenen kommunikativen Miteinander? Was muss man wissen, was muss man können, welche Orientierungskompetenzen braucht es, um den Wandel nicht nur zu begreifen, sondern mindestens im eigenen Wirkbereich mitgestalten zu können? Dabei gibt es viele Widersprüche – daher ist meines Erachtens im unruhigen 21. Jahrhundert die Ambiguitätskompetenz eine Schlüsselkompetenz.

Die wichtigste Erkenntnis, die ich bei all dem versuche weiterzugeben: Wir reden seit 45 Jahren vordergründig über digitale Technologien. Es ging aber schon immer eher um soziotechnische Systeme, die eher Hebel der gesellschaftlichen Veränderung sind als ihr zentraler Gegenstand.

Welche Geschäftsmodelle haben in Zukunft die besten Chancen?

Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Flexibilität setzen, werden meiner Ansicht nach die besten Chancen haben. Insbesondere solche, die verantwortungsvoll Künstliche Intelligenz und datenbasierte Entscheidungsprozesse integrieren, können sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Klassische Plattform-Modelle werden es schwer haben, wenn sie auf dem traditionellen Silicon-Valley-Ansatz der frühen 2000er-Jahre verharren.

Meines Erachtens sind Unternehmen, die durch Kooperationen und Netzwerke oder so etwas wie einen genossenschaftlichen Ansatz Mehrwert schaffen, diejenigen, die langfristige Perspektiven entwickeln können. Marktwert und Shareholder Value allein reichen nicht mehr aus – die Menschen möchten verstehen, wofür ein Unternehmen steht und betrachten es auch kritischer als das früher der Fall war. Man muss sich als Unternehmen also erklären – und das hat viel mit dem transparent machen der eigenen Werteorientierung zu tun.

Ich bin nicht naiv genug, um zu wissen, dass daneben natürlich die wachstumsorientierten und performancegetriebenen Unternehmen und Big Techs weiterhin relevant bleiben und einige Branchen auch bestimmen werden. Ich glaube aber daran, dass Unternehmen – gut erklärt – einen nachhaltigen Ansatz auch mit Ertrag betreiben können und sich nicht nur in Nischen Erfolge dafür ergeben.

Beschäftigst Du Dich mit dem Thema KI? Wie siehst Du den Ausblick damit für die nächsten Jahre?

Ja, ich beschäftige mich intensiv mit Künstlicher Intelligenz, sowohl in der Lehre als auch in der Beratung, in meinem Ehrenamt im Deutschen Journalisten Verband schon seit gut acht Jahren, als wir im Verband die Notwendigkeit der Kennzeichnungspflicht von KI-generierten Beiträgen anfingen zu diskutieren. Seit November 2023 bin ich als Lead-Dozent Teil eines fünfköpfigen Dozententeams , das in einem Zertifikatskurs die Teilnehmenden in vier Wochen Vollzeitunterricht zu KI-Manager:innen weiterbildet. Und bei weiteren branchenspezifischen Bildungsträgern leite ich Seminare zur KI-Anwendungspraxis und zum Entwicklung unternehmenseigener KI-Strategien.

Die nächsten Jahre sehe ich als eine spannende, aber auch herausfordernde Zeit, in der KI zunehmend in verschiedene Lebens- und Arbeitsbereiche integriert wird. Vor allem die nunmehr leicht zugängliche generative KI mit ChatGPT, Microsofts Copilot und Googles Gemini bietet enorme Potenziale für neue, verbesserte Arbeitsweisen, in der sich Zeitbudgets von repetitiven Aufgaben hin zu mehr kreativen Freiräumen verschieben können.

Die technische Basis großer Sprachmodelle birgt aber auch Herausforderungen, nicht nur in Sachen Verlässlichkeit und Ergebnisqualität, sondern übergeordnet im Bereich von Ethik, Datenschutz und Datensicherheit sowie bei Urheber-, Nutzungs- und Persönlichkeitsrechten. Da gibt es noch viele Grauzonen, Unsicherheiten und eine bisweilen allzu willfährige Bereitschaft, die negativen Folgen auszublenden angesichts der Verheißungen gerade generativer KI. Auch hier haben wir ein wachsendes Kompetenzdefizit bei gleichzeitig weggaloppierender technischer Entwicklung.

Kai Heddergott

Wir müssen sehr intensiv über die Verankerung von KI-Kompetenzen im Bildungsbereich nachdenken und hier auch schnell in die Umsetzung kommen. Es sind nicht nur Entscheider:innen in der Wirtschaft, die oft den Impact generativer KI noch nicht fassen können, weil ihnen die nötige Kenntnis zur Einordnung fehlt. Es ist auch das Lehrpersonal im Weiterbildungs- und grundständigen Bildungsbereich von der Schule bis hin zu Universitäten, das sich hier bisweilen schwertut.

Das fühlt sich wie ein Wiedergängermoment an, so ähnlich war das schon vor 30 Jahren, als mit dem AOL-Effekt das Netz für viele nutzbar wurde, aber die Erklärung der neuen Möglichkeiten auf sich warten ließ. Mit der KI geht es einmal mehr um ein soziotechnisches Anwendungsfeld, dass es zu begreifen gilt. Wenn wir die Fehler und Nachlässigkeiten wiederholen, die wir bei Internet und Social Media gemacht haben in Sachen Vermittlung könnten hier Folgen schwerwiegender sein: Denn es zeichnet sich nicht nur die Fortführung einer auseinanderklaffenden Schere zwischen wissend und unwissend in Sachen Digitalisierung ab, deren erste Wellen noch gar nicht vollständig abgearbeitet sind.

Man kann jetzt schon erkennen, dass diese Wissenskluft sich eher wie ein mäanderndes Flussdelta auseinanderdividiert – und das in Zeiten, in denen wir ohnehin von einer gesellschaftlichen Spaltung sprechen müssen. So gesehen, um auf die Frage noch einmal knapper zu antworten: Es bleibt sehr viel zu tun – mein Ausblick für die nächsten Jahre ist, dass für Menschen meiner Profession absehbar nicht langweilig wird.

Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung während der Corona-Pandemie? Wie hat sich Dein Kontakt mit anderen Menschen dadurch verändert?

Eine besonders gute Erfahrung während der Corona-Pandemie war die verstärkte Nutzung digitaler Kommunikationsmittel, die es mir ermöglicht hat, trotz physischer Distanz in engem Kontakt mit Kollegen und Kunden zu bleiben – und sogar neue Kunden zu erschließen und über das Digitale. Diese Zeit hat gezeigt, wie flexibel und anpassungsfähig wir sein können und wie digitale Technologien uns dabei unterstützen können, weiterhin produktiv und verbunden zu bleiben.

In einer Zeit, in der bisher definierte Berufsbereiche immer mehr ineinander übergehen und sich gemachte Erfahrungen im neuen Kontext verändern: wie politisch und/oder gesellschaftlich muss/darf unsere Arbeit sein?

Die Arbeit für professionelle Kommunikatoren ist sowohl politisch als auch gesellschaftlich relevant, da die Herausforderungen, vor denen wir stehen, oft über das rein Wirtschaftliche hinausgehen – ich wiederhole hier den Begriff der soziotechnischen Systeme. Es ist wichtig, dass Begleiter:innen und Berater:innen sich als einen sehr funktionalen Teil der Gesellschaft verstehen und einen Beitrag zu wichtigen Diskussionen und Entscheidungen leisten.

Dabei sollten sie sich für eine offene und demokratische Gesellschaft einsetzen und die sozialen Auswirkungen ihrer Arbeit stets im Blick behalten – und das auch öffentlich reflektieren. Die aktuelle Bedrohung unserer freiheitlichen Grundordnung gefährdet in der Konsequenz ja auch die soziale Marktwirtschaft, so wie wir sie in Deutschland kennen und auch schätzen sollten.

Welche Tools arbeiten für Dich sinnvoll, womit erleichterst Du Deinen Alltag?

Aktuell mag ich sehr den Einsatz der mobilen ChatGPT-App, mit der ich im Dialog unterwegs Ideen zu ersten konzeptionellen Überlegungen weiterentwickele – das Ergebnis liegt dann nach einem Spaziergang oder dem Weg von der Ladesäule nach Hause in meinem Account zur Weiterbearbeitung am Rechner vor. Da ich einen Team-Account habe, wähne ich mich da auch in Sachen Datenschutz sicherer als bei freien KI-Zugängen.

Hast Du ein Motto? Wenn ja, welches?

Mein Motto, das ich aus dem Philosophie-Unterricht aus meiner Schulzeit mitgenommen habe, lautet: „Wer meint, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.“ Das kann man auf sich selbst, aber auch auf seine Kunden beziehen. Und auch, wenn das bisweilen nicht immer auf Akzeptanz stößt, denke ich, dass wir überdies ganz gut mit „Mehr Komplexität wagen.“ fahren. Das ermutigt meines Erachtens dazu, sich den Herausforderungen der digitalen Welt offen und mutig zu stellen und stets nach neuen, besseren Lösungen zu suchen​.

Wo findet man Dich in den sozialen Netzwerken?

Man findet mich vor allem auf LinkedIn und Threads. Ich bin einer von diesen gefühlt Entwurzelten, seitdem Twitter kein Ort für eine funktionale Kommunikation mehr ist. Diese weiter fortschreitende Diversifizierung der digitalen Kontaktflächen nervt, birgt für den gesellschaftlichen Diskurs Probleme, ist aber zugleich Herausforderung für Menschen meiner Profession: Es gibt viel zu tun. Lassen wir es nicht liegen.

Webseite: https://www.heddergott.de/

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