Kate Crawfords neues Werk „Atlas der KI: Die materielle Wahrheit hinter den neuen Datenimperien“ ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Faszination und der Herausforderungen, die die künstliche Intelligenz (KI) mit sich bringt. Dieses Buch, das 2021 in seiner Originalversion bei Yale University Press erschien und nun in einer deutschen Übersetzung von Frank Lachmann bei C.H.Beck vorliegt, bietet einen umfassenden Einblick in die Welt der KI, die weit über die technischen Aspekte hinausgeht. Die materielle Wahrheit hinter den Datenimperien ist der leitende Gedanke dieses Werkes.
Crawford nimmt uns mit auf eine Reise, die nicht nur die technischen Details des maschinellen Lernens beleuchtet, sondern auch die tiefen ökologischen, sozialen und politischen Einflüsse hinter den Kulissen der KI-Technologien aufdeckt. Das Buch ist in mehrere Kapitel gegliedert, die sich mit verschiedenen Aspekten der KI auseinandersetzen: von der Erde als Rohstofflieferant, über die menschliche Arbeit hinter den Algorithmen, bis hin zur Klassifizierung und dem politischen Einfluss.
Einleitung: Das klügste Pferd der Welt
Die Einleitung beginnt mit der Geschichte des „Klugen Hans“, einem Pferd, das scheinbar mathematische Aufgaben lösen konnte. Diese Episode dient Crawford als Metapher für die Erwartungen und Fehldeutungen, die oft mit KI einhergehen. Sie zeigt, wie leicht es ist, in die Falle des Observer-expectancy-Effekts zu tappen, wenn wir Intelligenz bei Maschinen oder Tieren sehen, die eigentlich nur auf menschliche Signale reagieren. Diese Geschichte regt dazu an, kritisch über die Art und Weise nachzudenken, wie wir Intelligenz wahrnehmen und messen.
Was ist KI?
Crawford stellt die Frage, was KI eigentlich ist, und führt uns durch verschiedene Perspektiven: vom Laienverständnis bis hin zu den technischen Erklärungen von Experten. Sie erklärt, dass KI weder künstlich noch intelligent im klassischen Sinne ist, sondern tief in den sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen verwurzelt ist. Durch diese Analyse wird deutlich, wie KI-Syteme die bestehenden Machtverhältnisse widerspiegeln und verstärken.
Atlas der KI
Der Titel des Buches, Atlas der KI, ist mehr als nur eine Metapher. Crawford nutzt den Begriff des Atlas, um verschiedene Perspektiven und Maßstäbe der KI zu veranschaulichen, ähnlich wie ein geografischer Atlas die Welt in unterschiedlichen Dimensionen darstellt. Sie fordert eine Theorie der KI, die die Auswirkungen auf die Umwelt, die ungleichen Arbeitsbedingungen und die geopolitischen Dynamiken berücksichtigt.
Kate Crawfords „Atlas der KI“ ist ein weitreichendes und tiefgründiges Werk, das die Leser dazu anregt, über die Implikationen der KI hinauszugehen und die verborgenen Dimensionen dieser Technologie zu verstehen. Es ist eine Mahnung daran, dass KI nicht nur aus Code und Daten besteht, sondern aus einer komplexen Wechselwirkung von Menschen, Materialien und Macht. Dieses Buch ist ein Muss für alle, die sich nicht nur für die technischen Details, sondern auch für die ethischen und politischen Implikationen der künstlichen Intelligenz interessieren.
Mit 31 Abbildungen und einer umfassenden Bibliographie fügt sich das Buch nahtlos in jede ernsthafte Diskussion über die Zukunft der Technologie ein. Es ist nicht nur eine Lektüre für Fachleute, sondern auch für jeden, der die Welt der KI und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft verstehen möchte. Ein Werk, das zum Nachdenken anregt und die Augen für die oft unsichtbaren Kosten des technologischen Fortschritts öffnet.