Christof Stein-Schneider: Mit dem Gitarrenspiel statt des elterlich gewünschten Klavierunterrichts legte Christof Stein-Schneider, geboren in Lübeck als ältestes von vier Kindern einer Pastorenfamilie, bereits früh den Grundstein für seine musikalische Karriere. Der entscheidende Wendepunkt kam 1987, als er zusammen mit den Brüdern Thorsten und Kai Wingenfelder sowie Rainer Schumann und Hannes Schäfer die Rockband Fury in the Slaughterhouse in Hannover gründete, wo er bis heute als Gitarrist neben Thorsten Wingenfelder wirkt.
Neben seiner musikalischen Tätigkeit, die auch diverse andere Projekte umfasst, engagiert sich der Wahlhannoveraner für karitative Zwecke wie „Stark gegen Krebs“ und „Die!!! Weihnachtsfeier“. In seiner Wahlheimat Hannover schätzt er besonders die Möglichkeit, fernab von Starallüren ein authentisches Leben führen zu können und dabei gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Christof, wie läuft es denn zurzeit für Dich?
Wir haben uns ganz gut entwickelt mit der Band. Seit unserer Neuorientierung sind wir erwachsener und bestimmter geworden. Die Band hat sich musikalisch deutlich weiterentwickelt – der Sound ist jetzt kraftvoller und mutiger als vorher. Die Tour für nächstes Jahr ist sensationell, 40% der Tickets sind weg für nächsten Sommer, Bremen ist ausverkauft.
Das hat alles noch Wolfgang Besemer auf den Weg gebracht, der uns 2017 in die TUI Arena bringen wollte. Das dann alles noch viel weiter ging, haben wir zu dem Zeitpunkt nicht ahnen können. Wolfgang hat das leider nicht mehr erlebt. Irgendwie sind die besten Zeiten erst danach gekommen. Wir sind wieder ins Studio gegangen und haben viel Spaß gehabt. Unser Publikum spürt das auch bei den Live-Gigs. Wir sind sehr dankbar, dass es so gekommen ist.
Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung während der Corona-Pandemie? Wie hat sich Dein Kontakt mit anderen Menschen dadurch verändert?
Die letzten Jahre waren in vielen Punkten eine sehr bedrückende Zeit. Sich irgendwo hinzustellen und immer zu jammern, wie fürchterlich alles ist, bringt uns nicht weiter. Man muss Wege finden, um Kraft zu tanken, mal zu lachen, oder ganz einfach das Gefühl bekommen, dass man mit den ganzen Herausforderungen nicht alleine ist.
Wir haben zwei Platten gemacht in der Zeit. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt, wir arbeiten einfach weiter. Ich habe meine Gitarre eingeladen, bin zu Kai hochgefahren und wir haben Songs geschrieben. Die Pandemie wurde als Zeit der Bewährung gesehen: Die Pandemie war die Zeit, in der wir beweisen mussten, dass Kunst und Kultur systemrelevant sind, weil wir von unserer Haltung zu den Menschen gehörten, die in der Lage waren die Perspektive mit unserer Musik wenigstens ein bisschen zu ändern.
Da wären wir bei den gesellschaftlichen Themen. Wie erlebst Du diese Perspektive momentan?
Wir leben ja nun in einem sehr reichen Land, aber überall höre ich, gerade unsere Generation der Ü60er, vorwiegend negativ reden. Wir sind in so einem unfassbaren Jammerlappen-Land. Den meisten fliegt die Kohle aus dem Arsch und sie jammern vor sich hin. Der alte weiße Mann hat seinen Arsch ins Trockene gebracht und hat dabei auf die alten Leute und auf die Kinder geschissen – dass muss man einfach mal so sagen.
Wie viele alte Leute hängen mittlerweile finanziell komplett durch und gucken in Mülleimern nach Pfandflaschen – und das akzeptieren wir einfach alles hier in diesem Land wo so viel Geld da ist – wir sind reich.
Wir sind Generation GG – Glück gehabt. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren, nie Krieg gespürt, nie Kälte gespürt, nie gehungert. Ich versuche in Dankbarkeit demütig dafür zu sein und damit positiv in die Welt rauszugehen, egal was da draußen gerade für eine Scheiße rumliegt.
Du engagierst Dich ja auch gerade deswegen für Menschen, denen es nicht so gut geht. Erzähl mal ein wenig.
„Stark gegen Krebs“ und „Die!!! Weihnachtsfeier“ hast Du ja bereits oben genannt. Wir machen in Brunsbüttel schon viel mit den „Stark gegen Krebs“-Leuten, aber auch hier bei der Weihnachtsfeier in Hannover sind wir seit 12 Jahren die Schirmherren.
Als Band haben wir bei jedem Konzert eine gemeinnützige Organisation präsentiert. Das machen wir auch immer, das hat mit Viva con Agua angefangen mit Becher sammeln. Die Leute können spenden und sich über diese Organisationen informieren. Die Idee dahinter war einfach den Leuten Sachen an die Hand zu geben, bei denen sie von selber sagen können „ach guck mal, mache ich doch das mal, das ist gut“.
Wir nutzen unsere Plattform dazu und unsere Publizität, um die Sachen zu präsentieren. Das ist sehr wichtig, wenn wir die Leute erreichen wollen und wenigsten etwas dadurch besser wird.
Beschäftigst Du Dich mit dem Thema KI? Wie siehst Du den Ausblick damit für die nächsten Jahre?
Das Thema KI wird noch ein großes Problem für die Musikbranche. Da reicht es nicht mehr, einfach nur gut spielen zu können. Die Musikriesen wie Spotify und Co. werden demnächst 30% KI-generierte Playlists haben, weil sie das billiger kommt als echte Musiker zu bezahlen.
TikTok wird auch Playlists machen, TikTok wird zum Streaming-Dienst. Wenn es schlecht läuft, werden die Leute paranoid zu Hause sitzen, es gibt keine oder kaum Clubs mehr, es gibt die Szene nicht mehr, in der du live irgendwas werden kannst und wir Musiker werden eine aussterbende Rasse. Wir sind ja bereits das Ende der Schlange möglicherweise.
Als Band werden wir natürlich gegensteuern und aktiv bleiben. Wir haben noch Pläne bis 2027 – da werden wir 40 Jahre alt.
Was ist Dein Motto?
Beweg dich! Wir können die Welt nicht retten, aber wir können Sie verbessern. Das Wichtigste, was wir für Frieden und gegen Faschismus tun können, ist, tolerant zu sein, die Welt bunt anzustreichen und uns um die Nachbarn und Nachbarinnen zu kümmern, die es nötig haben.