Frank Tentler stellt sich vor: „Frank Tentler, Jahrgang 1963, aufgewachsen mit Star Trek – deshalb kann mich heute technisch nichts überraschen. Ich bin von Herz und Gemüt Ruhrgebietler und von meiner Seele Amsterdamer.“
Was machst Du beruflich, wo liegt dabei der Fokus?
Als Berater, Entwickler und Dozent liegen meine Schwerpunkte auf Smart City Projekten. Diese Projekte gestalte ich stets mit einem menschenzentrierten Ansatz. Ich bin der Überzeugung, dass jede Stadt einzigartig ist und daher jede Smart City individuell entwickelt werden muss. Der Mensch steht heute im Mittelpunkt der Stadtentwicklung, eine wesentliche Abkehr von der früheren technologiezentrierten Perspektive.
Meine Hauptaufgabe sehe ich darin, aus den Bewohnern und der Stadtverwaltung einer Stadt ein verantwortungsbewusstes und kompetentes Team für die Zukunft ihrer Gemeinschaft zu formen. Ich lege großen Wert auf den Einsatz künstlicher Intelligenz in städtischen und gesellschaftlichen Projekten. Mein Fokus liegt hierbei nicht auf Modellen oder Datenanalyse, sondern auf der praktischen Anwendung von KI, um die Bedürfnisse und Anforderungen der Menschen zu erfüllen. Hierbei folge ich meinem Konzept der „Human Centered AI“, bei dem KI als eine Art digitale Infrastruktur dient, die sich den Menschen anpasst.
Parallel dazu widme ich mich der Landwirtschaft, indem ich einen kleinen Bauernhof mit Pferdezucht, Tierhaltung und Futterproduktion betreibe. Diese Tätigkeit sehe ich als einen wichtigen Bestandteil meines Lebens, der in den nächsten zehn Jahren zunehmend in den Vordergrund rücken wird. Die nachhaltige Landwirtschaft betrachte ich als einen Schlüssel zur Bewältigung des Klimawandels.
In welchem Bereich fühlst du Dich am wohlsten und warum?
Meine größte Leidenschaft liegt in der Arbeit mit Teams und Netzwerken, unabhängig vom spezifischen Bereich meiner beruflichen Tätigkeiten. Besonders in städtischen Kontexten lege ich Wert darauf, effektive Teams innerhalb der Stadtverwaltung aufzubauen und diese eng mit den Bürgern und Bürgerinnen zu vernetzen. Diese Verknüpfung schafft eine starke Basis für die gemeinsame Projektentwicklung, bei der es vorrangig um den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und das Teilen von Wissen geht.
Hierbei fokussiere ich mich weniger auf das rein technische Know-how, sondern vielmehr auf das Verständnis der Hintergründe, Möglichkeiten und Risiken verschiedener Technologien sowie deren Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung lebenswerter Städte. Die erfolgreiche Vernetzung und das gemeinsame Wachstum dieser Teams empfinde ich als besonders erfüllend. Diese Momente des Erfolgs sind für mich vergleichbar mit der nachhaltigen Landwirtschaft: Ein von mir gesetzter Keim wächst zu einer blühenden Pflanze heran, die nicht nur Früchte trägt, sondern sich auch fortwährend ausbreitet. Dieses Bild symbolisiert für mich den idealen Verlauf meiner Projekte – ein nachhaltiges Wachstum, das auf soliden, zwischenmenschlichen Beziehungen basiert und sich selbst trägt.
Viele Menschen spüren, dass sich die Welt um sie rasant schnell verändert. Wie nimmst Du dies wahr, was sind Deine Konsequenzen?
Die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der sich unsere Welt durch künstliche Intelligenz verändert, überwältigt viele Menschen. Täglich konfrontiert mit der Botschaft, dass ihre Arbeitsplätze und Fähigkeiten durch KI und Automatisierung obsolet werden könnten, stehen sie vor einem unausweichlichen Wandel. Doch selbst diese Herausforderung verblasst im Vergleich zu jenen, die noch nicht einmal erkannt haben, wie tiefgreifend KI bereits in ihr Leben eingedrungen ist. Die Banalisierung hochspezifischer Fähigkeiten durch allgegenwärtige künstliche Intelligenz ist eine stille Revolution.
In den kommenden 5-10 Jahren wird der Wert der menschlichen Arbeit eine drastische Neubewertung erfahren. Meine Sorge gilt insbesondere der kleinen Elite, die KI nahtlos in ihr Berufs- und Privatleben integriert hat, und sich so täglich einen weiteren Vorsprung verschafft. Diese Elite, abhängig von den Technologiegiganten, die KI bereitstellen, wird über Fähigkeiten verfügen, die bisher nur aus Science-Fiction und Fantasy bekannt waren. Künstliche Intelligenz ist in dieser Hinsicht wie die Zauberei in einem Harry Potter Film – mit der Macht des Wortes erschaffen wir das Gestern noch Unvorstellbare, realisiert von zauberhaft anmutenden Maschinen. Für mich und einige wenige ist diese Realität bereits Alltag, für die meisten Menschen jedoch unvorstellbar.
Initiativen wie der EU KI Akt sind ein erster Schritt, um die wachsende Kluft etwas zu schmälern. Doch der Vergleich mit Harry Potter bleibt: Es wird wenige Zauberer, und es wird sehr viele Muggel geben. Und diese Trennung ist weit weniger amüsant, als sie klingt. Sie birgt eine ernsthafte Bedrohung für eine inklusive Gesellschaft und unsere Demokratie. Wir müssen durch Wissensvermittlung und transparente Verantwortung dafür sorgen, dass die Gruppe der Menschen, die KI verantwortungsvoll nutzen, immer größer wird. Das muss schon in der Schule beginnen, in Lehre und Studium sich fortsetzen und im Beruf permanent weitergeführt werden.
Welche Geschäftsmodelle haben in Zukunft die besten Chancen?
Jedes Geschäftsmodell, das auf der Nutzung künstlicher Intelligenz basiert, birgt eine Zukunftsperspektive – es wird entweder bestehende Modelle verdrängen oder sie radikal umgestalten. Dies wird bereits in zahlreichen Sektoren sichtbar, darunter die Finanzbranche, Softwareentwicklung, das Ingenieurwesen, die Medienlandschaft und sogar in der Beratungswelt, zu der ich mich zähle. So biete ich beispielsweise mein Fachwissen als KI-Assistent kostenfrei an. Der Grund? Mein Wissen ist nur ein Teil dessen, was mich ausmacht. Viel entscheidender ist die Person hinter dem Wissen, die es vermittelt und dafür sorgt, dass es nachhaltig weitergegeben wird. Diese menschliche Komponente ist in vielen Bereichen unersetzlich, sei es im Handwerk, in sozialen Berufen oder in der Lehre.
Trotz der fortschreitenden Automatisierung durch KI bin ich mir bei vielen anderen Berufen nicht sicher, ob sie die nächsten 20 Jahre des Wandels überdauern werden. Doch diese Überlegungen treten in den Hintergrund angesichts einer viel drängenderen Herausforderung: dem Klimawandel. Wenn wir nicht umgehend wirksame Maßnahmen ergreifen und unser gesamtes Dasein auf eine nachhaltige Lebensweise umstellen, werden Diskussionen über die Zukunft der Arbeit irrelevant. Die Bewältigung des Klimawandels ist die dringendste Aufgabe unserer Zeit, und sie muss in allen Aspekten menschlichen Handelns Priorität haben.
Beschäftigst Du Dich mit dem Thema KI? Wie siehst Du den Ausblick damit für die nächsten Jahre?
Künstliche Intelligenz entwickelt sich zur neuen digitalen Infrastruktur unserer Gesellschaft. Täglich bin ich erstaunt über die neuesten Entwicklungen, die innovativen Ideen, Anwendungen und Konzepte, die ich in meine Arbeit integrieren kann. Probleme von gestern wandeln sich in die Lösungen von heute – es ist spannend, sich die Potenziale von morgen vorzustellen.
Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung während der Corona-Pandemie? Wie hat sich Dein Kontakt mit anderen Menschen dadurch verändert?
Die Zeit der Einschränkungen während der COVID-Pandemie habe ich privat, beruflich und gesundheitlich sehr gut überstanden. Doch dann traf mich eine COVID-Infektion und die daraus resultierende hartnäckige Post-COVID-Erkrankung umso härter. Erst allmählich finde ich zu einem normalen Leben zurück und entdecke dabei körperliche Grenzen, die mir zuvor unbekannt waren. Andererseits bot mir diese Zeit die Gelegenheit, mich beruflich stark weiterzuentwickeln, sei es in der Entwicklung menschenzentrierter Smart Cities, im Verständnis und Einsatz künstlicher Intelligenz in meiner Arbeit und meinen Projekten, oder in der Weiterentwicklung meines landwirtschaftlichen Standbeins.
Künstliche Intelligenz ist ein herausragendes Beispiel für diese Entwicklung. Heute kann ich mindestens 50 % meiner Arbeit durch KI erledigen lassen. Die restliche Zeit investiere ich in Fortbildungen in diesem Bereich, wodurch ich noch mehr Zeit durch den Einsatz individueller und vernetzter KI-Lösungen einsparen kann. Es ist ein fortwährender Kreislauf, der mit der ersten Auseinandersetzung mit KI begann. Ohne die durch Post-COVID bedingten Einschränkungen hätte ich nicht die Zeit und Ruhe gehabt, mich so intensiv damit zu beschäftigen. Dennoch betrachte ich dies nicht als Glücksfall, denn auf die Symptome und Sekundärerkrankungen einer Post-COVID-Erkrankung könnte ich gut verzichten. Aber es wird besser.
In einer Zeit, in der bisher definierte Berufsbereiche immer mehr ineinander übergehen und sich gemachte Erfahrungen im neuen Kontext verändern: wie politisch und/oder gesellschaftlich muss/darf unsere Arbeit sein?
In jedem Beruf, ob als Unternehmerinnen, Freelancers, Angestellte oder Arbeitnehmerinnen, ist es heute unabdingbar, politisch zu denken und zu handeln. Abgesehen von den Schäden, die rechtsradikale Strömungen unserer Gesellschaft zufügen – sozial, ökologisch und ökonomisch –, lässt uns insbesondere die Herausforderung des Klimawandels keine Wahl mehr, unpolitisch zu sein. In meiner Arbeit denke ich politisch, nicht im Sinne von Parteipolitik, sondern darüber, welche Auswirkungen meine Arbeit auf Menschen hat, was sie bewegt und welche Veränderungsprozesse sie anstoßen kann, sowohl im Denken als auch im Handeln.
Ich strebe danach, ein Samenkorn zu pflanzen, besonders in der Interaktion mit einer Stadtgesellschaft. Es gibt Projekte, die einen nicht mehr loslassen, bei denen man so lange und intensiv in den Transformationsprozess eingebunden ist, dass es fast wie eine Familie wird. Parteipolitik ist dabei irrelevant. Mir geht es um eine soziale, lebenswerte, inklusive, offene, zukunftssichere und nachhaltige Stadtgesellschaft. Wenn ich nicht die Möglichkeit habe, mit meinen Erfahrungen, meinem Wissen, meinen Netzwerken und vielleicht auch mit meinen manchmal etwas verrückt anmutenden Ideen daran zu arbeiten, dann interessiert mich die Arbeit nicht.
Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung? Was ist Dir im Job besonders gut gelungen? Was war für Dich eine völlig neue Erfahrung?
So banal es klingen mag, betrachte ich jeden Auftrag, den ich annehme, als eine Reise in ein neues Wunderland. Meine Arbeit erfüllt mich mit Glück. Wenn ich jedoch ein Projekt hervorheben müsste, das in meinem beruflichen Leben besonders herausragt, dann wäre es die Zusammenarbeit mit Yadegar Asisi und seinem Team im Jahr 2011. Wir entwickelten eine Ausstellung und ein gigantisches Panoramabild für das Pergamonmuseum in Berlin. Als Berater für digitale Kommunikation und Marketing war ich ein Teil dieses kreativen Prozesses – von Asisis Atelier über die Medienproduktion in Bergama bis hin zum Berliner Büro, wo dieses Meisterwerk sich entwickelte. Diese Erfahrung hat meine Sichtweise auf Arbeit, Teamwork und Kreativität grundlegend verändert.
Die gewonnenen Erkenntnisse sind bis heute von unschätzbarem Wert. Jedes Mal, wenn ich das Panoramabild und die dazugehörige Ausstellung, die neben dem aktuell renovierten Museum errichtet wurde, besuche, geht mir das Herz über, und ich durchlebe die Entstehungsgeschichte dieses Projektes erneut in einer emotionalen Zeitreise. Es gibt zwar viele Projekte, die mich bewegt haben, aber sollte mich jemand mitten in der Nacht aufwecken und nach meinem beeindruckendsten Projekt fragen, so wäre es zweifellos dieses.
Welche Tools arbeiten für Dich sinnvoll, womit erleichterst Du Deinen Alltag?
Mein berufliches Hauptwerkzeug ist zu 80 % ChatGPT in der Plus-Version oder, bei Kollaborationen, die Team-Version. GPT ist meine „Muttersprache“ und kann damit einfachst Medien, Inhalte, Beiträge, Konzepte, Strategien und vieles mehr für meinen beruflichen Alltag recherchieren, diskutieren, analysieren und erstellen. Für vertiefte Recherchen setze ich Perplexity ein, Otter nutze ich zur Analyse von Meetings. DeepL dient mir für Übersetzungen und DeepL Write zur Textoptimierung. Außerdem verwende ich KI-Erweiterungen von Tools wie Miró und Zoom.
Besonders gespannt bin ich auf zwei KI-Gadgets, die ich bestellt habe und die im April eintreffen: die AR-Brille „Frame“ von Brilliant Labs, angetrieben durch ChatGPT, Whisper und Perplexity, zum ergänzen Einsatz bei der Bildschirmarbeit und auch vor Ort in Projekten, sowie das „R1“ von Rabbit, eine Plattform-Hard- und Software, von der ich mir enorme Erweiterungen für meine Arbeit erhoffe. Natürlich nutze ich auch Standardtools wie Zapier, Slack und Asana, um die Zusammenarbeit mit meinen Teams zu erleichtern.
Hast Du ein Motto? Wenn ja, welches?
Als gebürtiger Duisburger habe ich tatsächlich ein Motto: „Machen is‘ Könich!“ Diese Handlungsanweisung liegt uns in den Genen.
Wo findet man Dich in den sozialen Netzwerken?
Wer sich langweilen möchte, kann meine Webseite www.tentler.ai besuchen.
Mein öffentlicher KI-Assistent ist auf ChatGPT unter https://chat.openai.com/g/g-h1c9EqH5L-tentlerai zu finden. Da erfährt man vielleicht mehr über mich, als mir lieb ist.
Besonders aktiv ist gerade meine Facebook Gruppe „ #AllAI > Künstliche Intelligenz verstehen und verantwortungsvoll einsetzen“ – https://www.facebook.com/groups/ki.labor/.
Eine Seite über mein Bauernhof- Projekt „Hof Hasenhorst“ ist in Vorbereitung.
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