Angst. Ängste. Die Mehrheit der Deutschen blickt nach einer neuen Umfrage eher mit Angst als mit Zuversicht auf das kommende Jahr. Während sich aktuell 55 Prozent der Befragten angsterfüllt zeigten, waren es im Vorjahr nur 31 Prozent, 2013 lediglich 28 Prozent. In einer Umfrage mit 25.000 repräsentativen EU-Bürgern kam heraus, dass in keinem anderen europäischen Land die Bürger ihre Zukunft so pessimistisch sehen wie in Deutschland. Tendenz steigend.
Glas halb voll. Sicher bald leer.
Der Blick auf prognostizierte Zahlen steht im Widerspruch dazu: Die Deutschen werden einer Prognose zufolge im kommenden Jahr pro Kopf rund 430 Euro mehr in der Tasche haben als dieses Jahr. Die Kaufkraft der Bundesbürger steigt 2016 voraussichtlich insgesamt um zwei Prozent, wie aus einer in Bruchsal veröffentlichten Studie des Marktforschungsunternehmens GfK hervorgeht. Die Nominallöhne stiegen 2015 um 3,2 Prozent, während sich die Lebenshaltungskosten nur um 0,5 Prozent erhöhten. Somit stehen die Aussichten gut, dass die Verbraucher mit ihrem Konsum die Wirtschaft weiter spürbar anschieben.
Geht es aber vielleicht gar nicht so sehr um das Materielle, als eher um die zunehmende Verunsicherung durch Ereignisse des Jahres 2015 – Terror, Völkerwanderung, Wirtschaftsbetrug? Sieht der Einzelne noch seinen Platz gesichert in diesem komplexen und nicht vorhersehbaren Raum? Ist des Bürgers emotionale Stabilität weiterhin gewährleistet oder ist sie überhaupt vorhanden? Oder handelt es sich wieder nur um dieses sogenannte „Jammern auf hohem Niveau“?
Angst. Sie gehört dazu. Ohne Angst finden keine Veränderungen und keine Entwicklungen statt.
Sollten wir Bundesbürger bereits so satt sein, dass uns jede Veränderung oder Entwicklung zu anstrengend ist, das jede Bemühung und jeder Eingriff von außen an unserer doch so bequemen Komfortzone kratzt? Dass Bewegung Mühe bereitet ist bekannt – ist aber ohne Mühe dass, was wir haben, überhaupt noch etwas für uns wert?
Wenn wir weiterhin jammern, brauchen wir natürlich nicht handeln, denn dies verbietet sich nahezu – wir brauchen auch nicht weiter in uns hineinfühlen, durch da Jammern ersparen wir uns Enttäuschungen und wir fühlen uns gut. Gleichzeitig fühlen wir uns von anderen besser verstanden – natürlich nur denen, die das deutsche Klagelied ebenfalls singen. Damit sind wir gefangen in unserer Opferrolle und können weiter bequem sein. Wer nämlich allzu positiv oder optimistisch denkt, wird schnell als oberflächlich gesehen. Oberflächlich betrachtet.
Blockaden. Überall zu finden. Wer bewertet und urteilt, macht dicht für Neues.
Wer zu schnell und zu einseitig bewertet, verpasst tiefere Einsichten. Nur die Auseinandersetzung mit der eigenen Angst führt zur Weiterentwicklung. Da aber die Bequemlichkeit unseres zivilisierten Lebens auch blockiert und behindert ist dies einfacher gesagt als getan. Aber: dadurch, dass wir die Welt kleiner machen als sie in Wirklichkeit ist, wird sie nicht wahrer und nicht weniger furchteinflößend. Dadurch, dass wir selber klein denken, werden wir nicht reicher an Einsichten und an Chancen.
Denn Chancen bieten sich tagtäglich. Vielleicht müssen wir wieder stärker lernen, neue Möglichkeiten zu erkennen und darauf zu reagieren. Und nicht gleich, aus Bequemlichkeit, niederzubügeln und schlechtzureden. Nur weil man eigentlich die Auseinandersetzung scheut und Fehler und Schuld bei anderen sucht. Mutlosigkeit im Land der „Dichter und Denker“ – oder sind wir bereits „Grübler und Trübler“?
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Täten wir was, würde der Anlass zum Jammern fehlen, das würde die deutsche (und auch die deutschschweizerische btw.) Leitkultur auf Dauer irreparabeln Schaden zufügen.