Literatur darf und muss auch schmerzen – ein Gespräch mit Wolfram Hänel
Bitte stelle Dich kurz vor.
Wolfram Hänel. In Fulda im Herz-Jesu-Krankenhaus am Frauenberg geboren – und zum Glück in Hannover, seit ich drei Jahre alt bin. Mit einem kleinen Ausflug nach Berlin fürs Studium an der FU (Germanistik und Anglistik).
Was machst Du beruflich, wo liegt dabei der Fokus?
Eigentlich wollte ich mal Kegeljunge werden, dann Bäcker, Rettungsschwimmer, Skilehrer, Hippie und Filmemacher, in dieser Reihenfolge. Gearbeitet habe ich dann als Theaterfotograf, Werbetexter, Gebrauchsgrafiker und Dramaturg. Und seit 1987 schreibe ich nun schon Theaterstücke und Bücher.
In welchem Bereich fühlst du dich am wohlsten und warum?
Schriftsteller ist tatsächlich das, was ich am besten kann. Und womit ich mich am besten fühle, weil es immer wieder eine neue Herausforderung ist – und eine große Befriedigung, wenn ich’s hingekriegt habe. Wichtig ist dabei: Ich arbeite nicht alleine! Ulrike Gerold und ich sind „Hannovers Schriftstellerpaar“, zusammen gelingen uns auch Sachen, die einer von uns alleine niemals hinbekommen würde.
Viele Menschen spüren, dass sich die Welt um sie rasant schnell verändert. Wie nimmst Du das wahr, was sind Deine Konsequenzen?
Wir sind die erste Generation in diesem Land, die selber keinen Krieg, keine Flucht, keinen Hunger, kein Elend miterlebt hat. Und wir sollten dieses Glück viel mehr zu schätzen wissen, als wir es meistens tun. Gleichzeitig allerdings muss uns klar sein, dass wir leider auch zu der Generation gehören, die gerade dabei ist, den Karren so richtig in den Dreck zu fahren.
Oder zumindest nicht deutlich genug dafür eintritt, dass sich endlich etwas ändert. Statt die Katastrophe, die auf uns zurollt, zu verhindern, beschleunigen wir sie sogar noch. Weil wir nicht bereit sind, auch nur ansatzweise etwas von unseren Privilegien aufzugeben. Weil wir darauf beharren, dass alles so bleiben soll, wie wir es gewohnt sind. Weil wir so tun, als gäbe es nur uns, als hätten wir keinerlei Verantwortung für unsere Kinder und Enkel.
Diese Erkenntnis schmerzt. Wir sollten es besser wissen. Und wir sollten die Zeit, die uns bleibt, gefälligst nutzen! Dazu wird es nicht reichen, ein paar Bäume im Vorgarten zu pflanzen – wir müssen umdenken und gesellschaftliche Systeme verändern, anders wird es nicht gehen: „Make Capitalism History!“ Und dabei können wir nicht länger von 2040 oder 2050 reden, wir müssen jetzt etwas tun!
Welche Geschäftsmodelle haben in Zukunft die besten Chancen?
Leuchtturmwärter? Nein, im Ernst: Ganz sicher müssen wir uns verabschieden von der Idee des Profits als erstrebenswertes Ziel.
Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung während der Corona-Pandemie?
Home-Office ist ja für Ulrike und mich nichts Neues, das letzte Mal, dass wir in einem Büro gearbeitet haben, war vor dreißig Jahren! Eine gute Erfahrung war vielleicht zu begreifen, dass wir nicht einfach immer so weiter machen können, wie wir es gewohnt sind. Dass wir jeden Tag schätzen sollten, an dem es gut geht und so weiter.
In einer Zeit, in der bisher definierte Berufsbereiche immer mehr ineinander übergehen und sich gemachte Erfahrungen im neuen Kontext verändern: wie politisch und/oder gesellschaftlich muss/darf unsere Arbeit sein?
Unsere Arbeit muss politisch sein! Sich einmischen, Stellung beziehen, eine klare Haltung zeigen. Für Ulrike und mich gilt dabei sicher, was Franz-Xaver Kroetz mal gesagt hat, auch uns fehlt „die Gnade der Tat“. Aber wir können uns einmischen mit unseren Büchern, gerade der Kriminalroman bietet eine gute Möglichkeit, um gesellschaftliche Zustände aufzuzeigen, den Finger in offene Wunden zu legen. Literatur darf und muss auch schmerzen! Ein Beispiel ist da sicher unser (Hannover-) Krimi „Der Tote vom Steintor“.
Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung? Was ist Dir im Job besonders gut gelungen? Was war für Dich eine völlig neue Erfahrung?
Wir hatten keine Lesungen, das war ungewohnt und völlig neu. Manchmal sogar ganz schön, nicht viele Stunden auf der Autobahn verbringen zu müssen – und sich auf nichts anderes konzentrieren zu müssen als die Geschichte, an der wir gerade arbeiten.
Welche Tools arbeiten für Dich sinnvoll, womit erleichterst Du Deinen Alltag?
Kaffee!
Hast Du ein Motto? Wenn ja, welches?
Es gibt da so einen Satz, den meine Mutter gerne zitiert hat: „Wer feig des einen Tages Glück versäumt, der holt’s nicht ein und wenn ihn Blitze trügen.“ Ist von Theodor Körner, Anfang des 19. Jahrhunderts. Aber ist eigentlich ein ganz schönes Motto, um sich immer wieder klar zu machen: Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir?
Und lasst euch impfen, ihr Idioten! Setzt eine Maske auf, das hat nichts mit der Einschränkung eurer Freiheit zu tun – persönliche Freiheit kann immer nur so lange eingefordert werden, wie sie nicht die Freiheit anderer einschränkt oder gefährdet. Gilt übrigens auch fürs Tempolimit.
Wo findet man dich in den sozialen Netzwerken?
Mich auf Facebook, Ulrike auf LinkedIn.
Im Web: https://haenel-buecher.weebly.com/
Foto v. Hänel + Gerold: Blumenfeld
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