Die beiden Bücher „Was man noch sagen darf“ von Steve Ayan und „Ideologiemaschinen“ von Harry Lehmann, die im Carl-Auer Verlag erschienen sind, bieten eine tiefgreifende Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Diskurse um Tabus und Cancel Culture. Beide Werke werfen ein kritisches Licht auf die sogenannte „woke“ Gesellschaft, ihre Ideologien und die daraus resultierenden Verwerfungen in der öffentlichen Kommunikation.
„Was man noch sagen darf“ von Steve Ayan
Steve Ayan’s Werk „Was man noch sagen darf. Die neue Lust am Tabu“ untersucht die Mechanismen und Dynamiken von Tabus in unserer modernen Gesellschaft. Ayan zeigt auf, dass, obwohl unsere Gesellschaft als sehr liberal und demokratisch gilt, es dennoch zahlreiche Tabus gibt, die die Meinungsfreiheit einschränken. Diese Tabus sind nicht nur Restriktionen, sondern auch Ausdruck einer neuen „Lust am Tabu“, die sich in der Sehnsucht nach Loyalität und Zugehörigkeit manifestiert.
Ayan beleuchtet, wie die Dynamik von Tabus in der digitalen Welt verstärkt wird, wo die Polarisierung und der Wunsch nach moralischer Überlegenheit zu „Shitstorms“ und anderen Formen der öffentlichen Zurechtweisung führen können. Er argumentiert, dass die Fokussierung auf das Gendern und andere Ausdrucksformen der ethischen Integrität zwar gut gemeint ist, aber oft zu einer künstlichen Spaltung und einem Mangel an Verständnis für die Komplexität menschlicher Beziehungen führt.
Das Buch endet mit der Aufforderung, sich an den Inhalten und Argumenten zu orientieren und nicht an der Identität des Sprechers, was eine zentrale Errungenschaft der Aufklärung ist, die in der „woken“ Gesellschaft zunehmend in den Hintergrund tritt.
„Ideologiemaschinen“ von Harry Lehmann
Harry Lehmann’s „Ideologiemaschinen – Wie Cancel Culture funktioniert“ analysiert die Ursprünge und Wirkungsweisen der Cancel Culture, die er als eine Form der ideologischen Ausschlusspolitik betrachtet. Lehmann beschreibt, wie Ideologien, die ursprünglich als Sprachspiele dienen, im digitalen Zeitalter zu Macht-Instrumenten werden, die alternative Meinungen und Perspektiven systematisch delegitimieren.
Lehmann führt den Begriff „Gruppenpolarisierung“ ein, um zu erklären, wie Meinungen in Gruppen radikalisiert werden und moderate Stimmen an Einfluss verlieren, was zu einer unnachgiebigen Ideologie führt, die keine Kritik duldet. Er warnt davor, dass Institutionen wie Universitäten und Theater, die ursprünglich Orte für freie Meinungsbildung und kreative Auseinandersetzung waren, zu „Ideologiemaschinen“ werden, die nur noch ideologischen Konformismus fördern.
Er zeigt auf, wie die Cancel Culture, obwohl sie auf beiden politischen Seiten existiert, die Debattenkultur vergiftet und eine gesunde, konstruktive Diskussion verhindert. Dies führt zu einer Atmosphäre der Angst und Selbstzensur, in der Menschen ihre Meinungen zurückhalten, um nicht öffentlich geächtet zu werden.
Die „woke“ Gesellschaft und ihre Auswirkungen
Die beiden Bücher legen nahe, dass die „woke“ Gesellschaft mit ihren extremen Ideologien und der Fokussierung auf Identitätspolitik und moralische Überlegenheit die demokratischen und menschlichen Prozesse ad absurdum führt. Diese Ideologien führen zu einer Verunsicherung in der Kommunikation, indem sie die Vielfalt der Meinungen und Perspektiven ersticken und eine Atmosphäre der Angst vor sozialer Ächtung schaffen.
Kritik an der Aufteilung der Gesellschaft
Lehmann und Ayan kritisieren die Betonung von Unterschieden und die Aufteilung der Gesellschaft in Gruppen mit vermeintlichen Privilegien und Unterdrückten. Diese Aufteilung führt zu einer Spaltung der Gesellschaft, die weder Konstruktivität noch Gerechtigkeit fördert.
Rückbesinnung auf Aufklärungswerte
Die Autoren fordern eine Rückbesinnung auf die Werte der Aufklärung, insbesondere auf die Freiheit der Meinungsäußerung und den Austausch von Argumenten. Nur so kann eine offene und respektvolle Kommunikation ermöglicht werden.